Rumänien, 13 Jahre nach der Mineriade Rechtfertigung für einen neuen Aufstand?
"Rumänien, dieses Land der scharfen Gegensätze, lässt auch den nur vorübergehend hier lebenden Ausländer nicht ganz unberührt. Das heißt, dass man mit der Zeit von den Stimmungsumbrüchen, die in diesem Land herrschen, beeinflusst wird. Die Rumänen sind zur Zeit ewige Pessimisten, die glauben ihr Land ist Mist, die Politiker sind Deppen und aus uns wird so oder so nix. Es ist schwer, Ihnen „Kopf hoch“ zu sagen und zu empfehlen, in die Hände zu spucken und die Lösung ihrer Probleme selbst in die Hand zu nehmen.
Im Frühjahr 1999 sah es für Rumänien sehr schlecht aus. Die Bergarbeiter aus dem Schiltal (Valea Jiului), bekannt für ihre Prügelmentalität, hatten sich auf den Marsch nach Bukarest gemacht, um für den Erhalt ihrer unwirtschaftlich gewordenen Arbeitsplätze und ihren Führer Miron Cozma, ein Mafia-Typ, der zu mehreren Jahren Gefängnis verurteilt worden war, zu kämpfen. Am Anfang sah es so aus wie wenn die Regierung die Lage im Griff hatte. Die Bergarbeiter marschierten von Westrumänien – Petrosani und Tirgu Jiu – los und wurden nach etwa 100 km von umfangreichen Polizeieinheiten gestoppt. Die erste Barrikade wurde überrannt. Noch nahm man die Sache nicht so ernst. Wie allerdings die zweite Barrikade beim Dorf Costesti, die von einer noch größeren Polizeimacht verteidigt wurde mit Leichtigkeit von den Bergarbeitern überrannt werden konnte und die Bergarbeiter die Kleinstadt Ramnicu Vilcea am strategischen wichtigen Karpatendurchbruch des Olttals nach Muntenien erreichten, bekamen die Oberen in Bukarest Muffensausen.
Vernichtende Kritik ernteten die Sondertruppen des Innenministeriums, die bei ihrem Versuch, den Vormarsch der Bergleute zu stoppen, kläglich gescheitert waren. Im Einsatz waren vor allem junge, nur mit Stöcken und Tränengas bewaffnete Wehrdienstleistende, die auch noch von ihren im Kampfgeschehen flüchtenden Einsatzleitern allein gelassen wurden; sie sind erbarmungslos verprügelt und verhöhnt worden.
Nun standen die Bergarbeiter 200 km vor Bukarest. Staatspräsident Emil Constantinescu hatte bereits den Erlass über die Ausrufung des Notstandes in der Schublade.Das Gespenst des Bürgerkieges ging um. Da nahm sich der Ministerpräsident (Radu Vasile) ein Herz und bot seine Vermittlung an. Im Kloser Cozia traf er sich mit Miron Cozma. Eine Einigung wurde erreicht, nur wusste keiner welche. Eine Zeitung schrieb damals:
„Es blieben viele Fragen offen. Nicht einmal die kampfeslustigen Bergarbeiter hatten erfahren, welche Zugeständnisse ihr radikaler Führer Miron Cozma bei seinen Verhandlungen mit Ministerpräsident Radu Vasile für sie herausgeholt hat. "Wenn die Führung zufrieden ist, sind wir es auch", sagte ein Bergmann nach seiner Rückkehr in das Schiltal ergeben vor Fernsehkameras. Ein Befehl des Cozma hatte offenbar genügt, um seine Anhängerschar zur friedlichen Heimkehr zu bewegen.“
Es war ein Pyrrhussieg für die Kumpel. Nachdem Cozma im Februar en
dgültig zu 18 Jahren Haft verurteilt wurde, zog er nochmals mit einer Horde von 4.000 Bergarbeitern los, um seine Haut zu retten. Diesmal war die Polizei bestens präpariert. In kürzester Zeit wurden die Bergarbeiter eingekesselt und die Gewerkschaftsführung mit Cozma verhaftet. Seither ist im Schiltal Ruhe.
Dann kam der Kosovo-Krieg. Obwohl dieser Krieg bei der Bevölkerung nicht auf großen Beifall stieß, blieb die Regierung fest auf westlicher Seite. Rumänien gehörte natürlich zu den Leidtragenden, denn die Donauschiffahrt wurde einige Zeit unmöglich und bis heute ist die freie Fahrt eingeschränkt. Im Banat, an der Grenze zu Serbien kam der wenige noch bestehende Handel völlig zum Zusammenbruch. Aber es deutete sich schon an, dass dieser Krieg auch Rumäniens Glück sein wird. Dem Westen wurde klar, dass der Balkan, wenn er wirtschaftlich und sozial sich allein überlassen wird, ein Pulverfass für Europa werden wird. Deshalb der dann ins Leben gerufene Stabilitätspakt für den Balkan und die Reisetätigkeit der westlichen Politiker. Außenminister Fischer, EU-Kommissar Verheugen und Bundeskanzler Schröder waren hier. Und das von den Rumänen nicht mehr Erwartete trat ein: Die Aufnahme in den Kreis der Kandidaten der Europäischen Union. Die Bevölkerung und die Medien brauchten einige Zeit, um überhaupt zu begreifen, was das bedeutet. Jetzt gab es eine klare Perspektive, wenn die Politiker ihre Hausaufgaben machen würden. Das traut ihnen allerdings das Volk nicht zu. Die EU ist da auch nicht so sicher, deshalb wird eine gemischte Kommission gegründet, die die Rechtsanpassung an EU-Recht und die Verwendung der zur Verfügung gestellten Finanzmittel überwacht. Endgültig aufwachen wird das Volk allerdings, wenn die von der EU-Kommission geforderte Aufhebung der Visumpflicht Realität werden sollte. Denn die Visumpflicht ist für alle Rumänen, das größte Zeichen der Erniedrigung und des Gefühls draußen zu stehen."
Heute ist Rumänien EU-Mitglied. Es gab keine Staatskrisen mehr im Ausmaß der Mineriade. Aber das Land steuert heute auf eine neue Krise zu. Der Staatspräsident, der in der Tat nicht mehr viel Rückhalt in der Bevölkerung hat, wird von einem tricksenden Ministerpräsidenten und einem willfährigen Parlament vorläufig seines Amtes enthoben. In Kürze soll das Volk in einem Referendum entscheiden, ob er wieder in das Amt zurückkehren darf.
Beängstigend ist, dass im Gefolge dieser Krise das Wort “Mineriade” wieder vermehrt in Politik und Medien Rumäniens auftaucht. In der jüngeren Geschichte des Landes sind die beiden “Mineriaden” (1990 und 1999) ein dunkles Kapitel und der Versuch von Strippenziehern im Hintergrund, die gewalttätigen Bergarbeiter des Schiltals zur Lösung eines Staatskonsflikts einzuschalten. Jetzt versuchen einige und dies sind eher die Gegner des suspendierten Staatspräsidenten, die Mineriaden positiv darzustellen oder zu verniedlichen. Eine Andeutung von Drohung wie man mit der Volkswut Politik machen kann. Ein ganz gefährliches Spiel. Ein Spiel, das auch Ablenken soll von den Manipulationsversuchen der Regierung, die mit Eilverordnungen wichtige Gesetze umgebogen oder den eigenen Vorstellungen angepasst hat. Die rumänische Machtelite hat noch nicht kapiert, dass die Europäische Union weniger aus Anteilnahme am Schicksal des Präsidenten Basescu Härte zeigt, sondern gerade darum wie man im Land mit den rechtsstaatlichen Institutionen und Regelungen umgeht. Die Leichtigkeit, mit der man das Rechtssystems des Landes verändert, lässt erhebliche Zweifel erkennen, dass die herrschende Politikerklasse tatsächlich reif genug ist, um ein wirkliches Demokratieverständnis an den Tag zu legen. Insofern ist es gut, wenn Europa mit besonderer Aufmerksamkeit nach Rumänien schaut.
Informationsquelle:
De ce îl susţine Occidentul cu înverşunare pe Traian Băsescu – Romania Libera
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