Hochzeit des Jahres erfreut die Hofschranzen und ärgert Republikaner

Die Briten haben zur größten Gaudi-Veranstaltung des Jahres angesetzt, indem sie die Hochzeit eines Prinzen namens William mit einer jungen Frau namens Kate heute mit Pomp und Gloria feierten. Da darf niemand fehlen, auch in Deutschland nicht. Alles bricht in untertänigste Hofberichterstattung aus und manch einer will darauf sein Süppchen kochen. Zeit für einen Rundblick, ob man anderswo ebenso freudig erregt ist.

In Rumänien überschlägt sich die sonst etwas seriösere Tageszeitung "Adevarul" in ihrer Online-Berichterstattung: "Minute für Minute bei der königlichen Hochzeit auf adevarul.ro: William und Kate haben sich auf dem Balkon des Bukingham-Palastes geküsst." In einer weiteren Spalte wird der Leser aufgefordert: "Verfolgen sie ab 11 Uhr die Bilder der Jahrhundert-Hochzeit auf Web-TV und die spezielle Ausgabe, in der Spezialisten und VIP's das Ereignis kommentieren". Natürlich ist auch die königliche Familie aus Rumänien zur Hochzeit eingeladen und man lauscht ihren Kommentaren. König Michael ist überwältigt, weil er noch nie soviele Menschen bei einer königlichen Hochzeit gesehen hat. Prinz Radu, ein in die beschäftigungslose rumänische Königsfamilie eingeheirateter ehemaligen Securitate-Offizier, erklärte die Hochzeit für ein ganz wichtiges Ereignis, das auch Auswirkungen auf Rumänien haben werde. So ganz haben die Ex-Monarchen die Hoffnung auf die Rückkehr der Monarchie nach Rumänien nicht aufgegeben.

Auch die britische Tageszeitung "The Guardian" lässt es sich nicht nehmen, das Brimborium Minute für Minute seinen Lesern zu schildern. Die Kommentare der Leser, gegen Mittag waren es schon über 1.000, sind allerdings überwiegend ätzend. Einen zitiere ich hier stellvertretend: "Ich versuche irgendeinen Platz zu finden, egal wo, wo ich den Tag verbringen kann, ohne mit diesem Müll belästigt zu werden. "The Guardian", der unter seiner Leserschaft sicher eine hohe Anzahl an Republikanern hat, ist kein solcher Platz". Ein anderer fordert jetzt bereits den "Scheidungs-Blog".

Die spanische "El Pais" hängt die Sache wesentlich tiefer. Zwar berichtet man auch hier von der "Boda Real" aus "Londres", aber Pais-Webseite wird nicht erdrückt von dem Ereignis. Natürlich ist auch die königliche Familie aus Spanien dabei. Auf dem offiziellen Bild sieht Prinz Felipe wie Ali Baba aus, der in einer wenig vetrauenerweckenden Uniform steckt. Bei Gemahlin Letizia wird bemängelt, dass sie einen "Retro-Hut", Stil 20er Jahre trägt. In der katalanischen Zeitung "El Periódico" stehen einige hässliche Leserkommentare. Einer bedauert, dass sich der Brauch der französischen Revolutionäre, den Königlichen den Kopf abzuschlagen, nicht ausgebreitet habe.

In Brasilien widmet sich "O Estadão" so nebenbei einem "Life-Blogging" aus London, wo man auch natürlich das Geschehen minutiös notiert. So großes Aufsehen scheint das Ganze aber nicht zu erregen. 2 Kommentaristen verlieren sich auf der Seite, wovon einer bemerkt: "Die britische Familie erhält die größte Sozialhilfe der Welt! P.S. Weiss jemand, wozu eine königliche Familie gebraucht wird?" Auch die Zeitung "Diario de Pernambuco" im brasilianischen Nordosten verwöhnt die Leser mit ein paar Tratschgeschichten zur Hochzeit. Gesellschaftsreporter Joao Alberto darf in einem Blog über die Geschehnisse berichten, halt so wie man über die Ereignisse der brasilianischen hohen Gesellschaft berichtet: Untertänigst und ergeben und alles etwas zu wichtig nehmend.

Noch einmal zurück über den Atlantik nach Schottland. "The Scotsman", die konservative Zeitung in Schottland, zeigt sich auch nicht gerade übertrieben monarchisch. Man berichtet zwar auch im Life-Blog, aber wenn man nicht genau hinschaut, kann man die Hinweise auch übersehen. Ein schottischer Leser erklärt uns, wie man die Sache in Schottland sehen sollte: "Der Enthusiasmus für die königliche Familie ist bei den Schotten geringer als bei den Engländern, egal was man im schottischen Fernsehen sieht. Die zeigen alles, genauso wie die Zeitung alles über das Ereignis schreiben, egal, ob sie dies im Kontakt mit ihren Zuschauern oder Lesern tun oder nicht. Diese Zeitung (The Scotsman) ist in der Tat ein gutes Beispiel wieweit sie von der Mehrheit der Schotten entfernt sind. .... Die Tatsache, dass mit den Einkommenssteuern der Schotten, Nordiren und Waliser das Wohlergehen dieser Familie finanziert werden muss, ist besonders bitter in diesen schwierigen Zeiten."

Bei den französischen Republikanern der Zeitung "Libération" muss man ganz schön scrollen, um auf die Nachricht des Tages zu stossen. Auch "Le Monde" berichtet nur das Nötigste. Auf "Agoravox" fragt Pierre-Alain Reynaud zu Recht: "Braucht man diesen Prunk in einer Zeit, wo überall auf der Welt Leute an Hunger sterben?"

Hunger ist aber nicht sexy, blaublütige Hochzeit schon!

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