Deutsche Minderheit in Rumänien, gibt es sie noch?

In der "Allgemeinen Deutschen Zeitung für Rumänien" (ADZ) ist vor kurzem unter dem Titel "Exodus, aber kein Exitus" die Vorstellung des Buches "Ein bewegtes Jahrhundert. Die Deutschen in Rumänien nach 1918" erschienen. Das Buch befasst sich mit der Entwicklung der deutschen Minderheit in Rumänien und räumt mit 2 Mythen auf: Dem des harmonischen Zusammenlebens mit der rumänischen Mehrheit - und dem, dass die Ursache des Exodus existenzielle Probleme im Kommunismus und nach der Wende gewesen wären. Hier ein paar Auszüge aus dem Bericht der ADZ;

Dieses Buch ist eine Synthese, die bisher auf dem rumänischen Markt gefehlt hat“, motiviert Remus Anghel. Viele Dinge seien vor allem der breiten Bevölkerung nicht bewusst: Etwa, dass die letzten hundert Jahre vor allem für die Deutschen in Rumänien extrem turbulent waren. Die fast vollständige Auswanderung dieser einst so starken Minderheit ist Folge eines soziologischen Dramas, das mit den Umsiedlungen im Zweiten Weltkrieg („Heim ins Reich“, 1940) und der Deportation der ethnisch Deutschen (1945) in die UdSSR begann... 

Doch warum sollte die Geschichte der deutschen Minderheit die Rumänen heute interessieren, wo sie doch durch den Exodus fast bis zum Exitus geschrumpft ist – von fast 800.000 vor dem Ersten Weltkrieg auf derzeit ca. 32.000? Zum einen, weil in Umfragen schon lange vor 2014 – als ein Vertreter dieser Minderheit, Klaus Johannis, zum Staatspräsidenten gewählt wurde – Sympathien zu erkennen waren: „Wer keinen Deutschen hat, muss sich einen kaufen“, illustriert ein rumänisches Sprichwort. Etwas „nemțește“, deutsch, zu machen, bedeutet, es gut und seriös zu erledigen. Zum anderen aber, weil die Entwicklung der deutschen Minderheit auch einen Spiegel darstellt: Er reflektiert, wie sich der rumänische Staat ihr gegenüber verhalten hat. „Viele sagen: Ihr hattet es gut. Ihr hattet Rechte. Doch das war nicht immer so“, stellt Ottmar Trașcă klar. „Man muss wissen, welche Rolle jede Minderheit in der Geschichte spielt.“
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Leitmotiv des Exodus: Familienzusammenführung

In der anschließenden Diskussion wurden die komplexen Ursachen der in mehreren Wellen erfolgten Auswanderung vertieft. Ursprünglicher Auslöser: der anhaltende territoriale Konflikt zwischen Deutschland und Russland, erklärt Ottmar Trașcă. Dieser  führte zu den Umsiedlungen der Bessarabien-, Bukowina- und Dobrudschadeutschen sowie dem Rückzug der Deutschen aus Nordsiebenbürgen und dem Banat mit den Soldaten der Wehrmacht – aus Angst vor Sanktionen durch die vorrückenden Russen. Dies wiederum führte zum Leitmotiv der späteren Auswanderungswellen: Familienzusammenführung. 

Eine Rolle spielten aber auch Faktoren wie die im kollektiven Bewusstsein verankerte Unsicherheit; die Politik des deutschen Staats, Verantwortung für Heimatvertriebene und Auslandsdeutsche zu übernehmen, die im Freikauf kulminierte; frühere Auswanderer, die zu Besuch zurückkehrten und Wohlstand demonstrierten; und nach der Wende die Angst, allein im Dorf zurückzubleiben, nachdem Lehrer und Pfarrer ausgewandert waren – „ein wichtiges Signal für die Gemeinschaft, das einen Schneeballeffekt zur Folge hatte“, erläutert Budeancă. Auch Gemeinschaftssinn mag eine Rolle gespielt haben: Zikeli erzählt, wie man sich in Arkeden/Archita geschlossen für die Auswanderung entschied. Mit einem abschließenden Gottesdienst, bei dem die Kirche wie zur Totenfeier schwarz dekoriert wurde, wurde dies besiegelt – „und am nächsten Tag waren alle weg“. Klargestellt wurde auch, dass der Freikauf der Deutschen aus Rumänien auf Lobbyarbeit der Landsmannschaften hin erfolgte und nicht als politische Initiative der BRD „von oben“. 
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Die Traumata der letzten hundert Jahre – ihre Folgen kann die Forschung nicht rückgängig, doch vieles im Nachhinein verständlicher machen. Die deutsche Minderheit hat eine Transformation erlebt. Sie hat sich, was ihre Verortung in Rumänien betrifft, zahlenmäßig stark verringert. Doch ihr Kulturraum ist weiter geworden, schließt Ausgewanderte, neu hinzugekommene Einwanderer und „germanophile“ Rumänen ein. Exodus, ja – aber noch kein Exitus. Es geht weiter. Es bleibt spannend.

Der gesamt Bericht ist hier einsehbar: Exodus, aber kein Exitus

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