Von den EU-Fesseln befreit wollen sie die Welt umarmen
Nationalistische Tory-Abgeordnete im Vereinigten Königreich sind schon sehr
seltsame Geschöpfe. Sie hassen die Europäische Union so sehr, dass sie ihr Land
gerne dafür in das wirtschaftliche Fiasko treiben. Tagträumereien und
chauvinistische Erinnerungskultur bestimmt ihr Handeln. Ein harter Kern von 60
Abgeordneten – verniedlichend Euroskeptiker genannt - unter anderem mit dem
ehemaligen Justizminister Michael Gove haben sich
zusammengetan, um einen harten Ausstieg Großbritanniens aus der EU
sicherzustellen. Ihrer Meinung nach kann nur ein äußerst sauberer Schnitt das
Land von den “Ketten der EU befreien und es die Welt umarmen lassen”. Dabei
reicht ihnen nicht nur der Austritt aus den Institutionen der EU, sondern sie
wollen auch den europäischen Wirtschaftsraum und die Zollunion verlassen.
Fachleute können über soviel Übermut – besser: Dummheit - nur den Kopf schütteln. Es scheint, dass diese Koryphäen bar jeder realistischen Einschätzungen der bisherigen Integration in die EU und den europäischen Wirtschaftsraum sind. Der Hass auf die EU und eine snobbistische Ignoranz gegenüber den Resteuropäern verdrängt jede Stimme der Vernunft. So regen sich die Herrschaften über eine richterliche Entscheidung auf, die vor kurzem klar machte, dass der Brexit nicht am Parlament vorbei vollzogen werden könne. Während die Murdoch-Presse mit naziwürdigen Schlagzeilen die Richter als Volksverräter beschimpfte, sind die reaktionären Tories etwas zurückhaltender, aber im Prinzip sprechen sie der Justiz das Recht ab, diese Entscheidung zu treffen. Das konsultative und damit nicht bindende Referendum über den Brexit wird jetzt als höchst demokratische Entscheidung stilisiert, bei dem das eher EU-freundlichen Parlament keinerlei Mitspracherecht haben sollte. Demokratie auf den Kopf gestellt, in einem Land, das ein nicht-gewähltes Staatsoberhaupt und eine 2. Kammer besitzt, in die die Vertreter von der Regierung ernannt wurden oder die ihren Sitz ererbt haben. Kaum zu begreifen, dass die feurigen Brexit-Anhänger gegen die nicht demokratische EU wettern.
Wie das “von den EU-Fesseln befreit die Welt umarmen” aussehen könnte, demonstrierte die kürzliche Indienreise von Premierministerin May. Auf Indien setzen die EU-Hasser in alter Kolonialseligkeit und hoffen mit diesem Land zusammen ein neues Handelsimperium gründen zu können. Das Wall Street Journal schreibt dazu: “Britische Offizielle suchen nach Möglichkeiten für ein Freihandelsabkommen. Offizielle Verhandlungen sind noch nicht möglich, da das Vereinigte Königreich (UK) immer noch Mitglied der EU ist. Kurzfristig hält das UK also Ausschau nach Möglichkeiten zu Abschaffung existierender Handelsbarrieren und verbessertem Zugang für juristische Dienstleistungen aus dem UK.”
Die Inder lassen sich allerdings gerade von ihrer alten Kolonialmacht nicht für dumm verkaufen. Auch sie merken, dass der Brexit eine nationalistisch-egoistische Veranstaltung ist. Die Welt soll jetzt den Briten noch weitreichendere Vorteile verschaffen als diese es bisher in der EU hatten. Und die Inder haben gleich den Finger auf den wunden Punkt gelegt: Die Briten wollen zwar Freizügigkeit für Kapital und Handel, aber nicht für die Menschen. Die Einreisegenehmigungen für Inder nach Großbritannien sind erheblich zurückgegangen. Die Einschränkung der Einwanderung von Ausländern gehört aber zur obersten Priorität der Brexit-Bewegung. Da nach dem Brexit vor allem die sogenannten Schwellenländer Ziel der britischen Freihandelsträume und Ersatz für die EU sein sollen, werden dessen Befürworter noch ein böses Erwachen bezüglich der Bereitschaft dieser Länder, im Sinne der Londoner Nationalisten mitzuspielen, erleben. Diese Länder werden sagen, Freihandelsabkommen ja, aber zu unseren Bedingungen. Zumal dann Britannien handelspolitisch im Weltmaßstab ein Zwerg sein wird.
Die Journalistin Priyamvada Gopal hat in “The Guardian” eine blendende Abrechnung mit dieser scheinheiligen Politik des “Umarmens” gegenüber Indien geschrieben. Für die Inder nichts und für das Tory-Britannien alles, diese Devise zieht nicht mehr, aber die 60 Tory-Abgeordneter sind nicht mehr dazu in der Lage, ihre Intelligenz sachgerecht anzuwenden.
Informationsquelle
Heavyweight Brexiteers among 60 Tory MPs to demand clean break from the EU
Why Is British Prime Minister Theresa May Visiting India?
Theresa May’s India trip reveals much about who will matter in post-Brexit Britain
Fachleute können über soviel Übermut – besser: Dummheit - nur den Kopf schütteln. Es scheint, dass diese Koryphäen bar jeder realistischen Einschätzungen der bisherigen Integration in die EU und den europäischen Wirtschaftsraum sind. Der Hass auf die EU und eine snobbistische Ignoranz gegenüber den Resteuropäern verdrängt jede Stimme der Vernunft. So regen sich die Herrschaften über eine richterliche Entscheidung auf, die vor kurzem klar machte, dass der Brexit nicht am Parlament vorbei vollzogen werden könne. Während die Murdoch-Presse mit naziwürdigen Schlagzeilen die Richter als Volksverräter beschimpfte, sind die reaktionären Tories etwas zurückhaltender, aber im Prinzip sprechen sie der Justiz das Recht ab, diese Entscheidung zu treffen. Das konsultative und damit nicht bindende Referendum über den Brexit wird jetzt als höchst demokratische Entscheidung stilisiert, bei dem das eher EU-freundlichen Parlament keinerlei Mitspracherecht haben sollte. Demokratie auf den Kopf gestellt, in einem Land, das ein nicht-gewähltes Staatsoberhaupt und eine 2. Kammer besitzt, in die die Vertreter von der Regierung ernannt wurden oder die ihren Sitz ererbt haben. Kaum zu begreifen, dass die feurigen Brexit-Anhänger gegen die nicht demokratische EU wettern.
Wie das “von den EU-Fesseln befreit die Welt umarmen” aussehen könnte, demonstrierte die kürzliche Indienreise von Premierministerin May. Auf Indien setzen die EU-Hasser in alter Kolonialseligkeit und hoffen mit diesem Land zusammen ein neues Handelsimperium gründen zu können. Das Wall Street Journal schreibt dazu: “Britische Offizielle suchen nach Möglichkeiten für ein Freihandelsabkommen. Offizielle Verhandlungen sind noch nicht möglich, da das Vereinigte Königreich (UK) immer noch Mitglied der EU ist. Kurzfristig hält das UK also Ausschau nach Möglichkeiten zu Abschaffung existierender Handelsbarrieren und verbessertem Zugang für juristische Dienstleistungen aus dem UK.”
Die Inder lassen sich allerdings gerade von ihrer alten Kolonialmacht nicht für dumm verkaufen. Auch sie merken, dass der Brexit eine nationalistisch-egoistische Veranstaltung ist. Die Welt soll jetzt den Briten noch weitreichendere Vorteile verschaffen als diese es bisher in der EU hatten. Und die Inder haben gleich den Finger auf den wunden Punkt gelegt: Die Briten wollen zwar Freizügigkeit für Kapital und Handel, aber nicht für die Menschen. Die Einreisegenehmigungen für Inder nach Großbritannien sind erheblich zurückgegangen. Die Einschränkung der Einwanderung von Ausländern gehört aber zur obersten Priorität der Brexit-Bewegung. Da nach dem Brexit vor allem die sogenannten Schwellenländer Ziel der britischen Freihandelsträume und Ersatz für die EU sein sollen, werden dessen Befürworter noch ein böses Erwachen bezüglich der Bereitschaft dieser Länder, im Sinne der Londoner Nationalisten mitzuspielen, erleben. Diese Länder werden sagen, Freihandelsabkommen ja, aber zu unseren Bedingungen. Zumal dann Britannien handelspolitisch im Weltmaßstab ein Zwerg sein wird.
Die Journalistin Priyamvada Gopal hat in “The Guardian” eine blendende Abrechnung mit dieser scheinheiligen Politik des “Umarmens” gegenüber Indien geschrieben. Für die Inder nichts und für das Tory-Britannien alles, diese Devise zieht nicht mehr, aber die 60 Tory-Abgeordneter sind nicht mehr dazu in der Lage, ihre Intelligenz sachgerecht anzuwenden.
Informationsquelle
Heavyweight Brexiteers among 60 Tory MPs to demand clean break from the EU
Why Is British Prime Minister Theresa May Visiting India?
Theresa May’s India trip reveals much about who will matter in post-Brexit Britain
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