Warum die Justiz in Brasilien noch das fortschrittlichste Staatsorgan ist
Brasilien braucht dringend eine politische Reform, meint Richter Luís Roberto Barroso vom Obersten Bundesgericht Brasiliens (STF). In einem Vortrag vor der Rechtsfakultät der Universität von São Paulo erklärte er, dass das Gleichgewicht zwischen den Verfassungsorganen Brasiliens aus dem Gleichgewicht geraten sei. Die Justiz habe inzwischen Probleme zu lösen, zu deren Lösung der Gesetzgeber nicht in der Lage sei. Um diese Probleme zu beheben, benötigt das Land nach Barroso dringend einer politischen Reform, die die Kosten der Wahlen billiger mache und ein Minimum an Authentizität für die politischen Parteien bringen sollte. "Wenn die politische Reform zustande kommt, dann wird sie der Politik einen größeren Teil des Spielraumes, den sie verloren hat, zurück geben", erklärte er.
Nach Erfahrung von Barroso sind viele schwierige Rechtsfragen, deren Lösung Brasilien verändert haben, von den Gerichten, insbesondere dem STF entschieden worden. So gäbe es fortschrittliche Entscheidungen zur Stammzellenforschung, zur Abtreibung und zu den homosexuellen Lebensgemeinschaften. Gerade das Letztere sei ein Beispiel dafür, dass die Justiz Politik gestalten musste, weil die sozialen Beziehungen zwischen den Menschen nach dem II. Weltkrieg immer komplexer wurden: "Noch in der Verfassung von 1988 gab es nur eine Form zur Gründung einer Familie und die war die Heirat. Jetzt gibt es 4 Formen: Heirat, weil es nicht verboten ist konventionell zu leben; die homosexuellen Lebensgemeinschaften; alleinerziehende Familien und jetzt auch die gleichgeschlechtlichen Familien". Daraus schließt er, dass die Justiz oft als Avantgarde handelt und in entscheidenden Angelegenheiten den Anstoß zu Neuerungen gibt. Auch in Fragen des Arbeitsrechts habe die Justiz sich bereits als derart fortschrittlich gezeigt, dass die Arbeitgeber auf mehr Gesetzgebung durch das Parlament drängen würden.
Die Studenten fragten Barroso dann auch nach der Notwendigkeit der Justizreform und der Möglichkeit Richter wählen zu lassen. Barroso erklärte sich energisch gegen diese Möglichkeit mit den Worten: "Ich glaube, dass ein richterlicher Populismus genauso schlecht wie jeder anderer Populismus ist. In Brasilien wäre das eine Katastrophe. Die Auswahl der Richter über einen öffentlichen Wettbewerb war ein echter Fortschritt. Die Richterschaft ist inzwischen repräsentativer als das Parlament. Inzwischen kann jeder mit Studienabschluss in Rechtswissenschaft Richter werden. In der 2. Hälfte der 70er Jahre bestand die Richterschaft aus einer weißen und relativ wohlhabenden Elite. Heute gibt es eine Demokratisierung und jeder mit Studienabschluss in Rechtswissenschaft kann Richter werden. Um in das Parlament, der gesetzgebenden Körperschaft gewählt zu werden, muss man Wahlkampagnen führen, man braucht eine ideologische Nische, die einem unterstützt, die es aber immer seltener gibt oder man braucht jemand, der einem Geld gibt oder bestimmte Interessen hat wie die Banken. Bei der Richterschaft hat das Geld nicht einen solch hohen Stellenwert wie in der Welt der Politik".
Informationsquelle
Para Barroso, ministro do STF, país precisa 'desesperadamente' da reforma política
Nach Erfahrung von Barroso sind viele schwierige Rechtsfragen, deren Lösung Brasilien verändert haben, von den Gerichten, insbesondere dem STF entschieden worden. So gäbe es fortschrittliche Entscheidungen zur Stammzellenforschung, zur Abtreibung und zu den homosexuellen Lebensgemeinschaften. Gerade das Letztere sei ein Beispiel dafür, dass die Justiz Politik gestalten musste, weil die sozialen Beziehungen zwischen den Menschen nach dem II. Weltkrieg immer komplexer wurden: "Noch in der Verfassung von 1988 gab es nur eine Form zur Gründung einer Familie und die war die Heirat. Jetzt gibt es 4 Formen: Heirat, weil es nicht verboten ist konventionell zu leben; die homosexuellen Lebensgemeinschaften; alleinerziehende Familien und jetzt auch die gleichgeschlechtlichen Familien". Daraus schließt er, dass die Justiz oft als Avantgarde handelt und in entscheidenden Angelegenheiten den Anstoß zu Neuerungen gibt. Auch in Fragen des Arbeitsrechts habe die Justiz sich bereits als derart fortschrittlich gezeigt, dass die Arbeitgeber auf mehr Gesetzgebung durch das Parlament drängen würden.
Die Studenten fragten Barroso dann auch nach der Notwendigkeit der Justizreform und der Möglichkeit Richter wählen zu lassen. Barroso erklärte sich energisch gegen diese Möglichkeit mit den Worten: "Ich glaube, dass ein richterlicher Populismus genauso schlecht wie jeder anderer Populismus ist. In Brasilien wäre das eine Katastrophe. Die Auswahl der Richter über einen öffentlichen Wettbewerb war ein echter Fortschritt. Die Richterschaft ist inzwischen repräsentativer als das Parlament. Inzwischen kann jeder mit Studienabschluss in Rechtswissenschaft Richter werden. In der 2. Hälfte der 70er Jahre bestand die Richterschaft aus einer weißen und relativ wohlhabenden Elite. Heute gibt es eine Demokratisierung und jeder mit Studienabschluss in Rechtswissenschaft kann Richter werden. Um in das Parlament, der gesetzgebenden Körperschaft gewählt zu werden, muss man Wahlkampagnen führen, man braucht eine ideologische Nische, die einem unterstützt, die es aber immer seltener gibt oder man braucht jemand, der einem Geld gibt oder bestimmte Interessen hat wie die Banken. Bei der Richterschaft hat das Geld nicht einen solch hohen Stellenwert wie in der Welt der Politik".
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Para Barroso, ministro do STF, país precisa 'desesperadamente' da reforma política
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