Clorgas und eine Posphorschlamm-Müllkippe als Zeitbombe an Spaniens Strand
Spiegel-Online meldete in diesen Tagen vom syrischen Bürgerkrieg: "In den vergangenen Monaten wurden wiederholt Angriffe mit Chlorgas gemeldet. Der leicht giftige Stoff, der in der Wirtschaft in
vielfältiger Weise eingesetzt wird, fiel nicht unter das Abkommen zur
Zerstörung der Chemiewaffen, auch wenn er als Kampfstoff eingesetzt
werden kann." Chlorgas ist also ein Stoff, an den man leicht kommen kann, der aber auch großen Schaden anrichten kann.
Die andalusische Hafenstadt Huelva ist eine Industriestadt, in der insbesondere die chemische Industrie sehr gut vertreten ist. Da das Bewusstsein für Umweltgefährdungen bisher in Andalusiens Süden nicht besonders ausgeprägt war, konnte diese Industrie sich ohne Rücksicht auf Umweltschutz ausbreiten. Heute steht man vor dem riesigen Gefährdungspotential, die Bevölkerung will sich nicht mehr alles gefallen lassen und die Verantwortlichen schieben sich gegenseitig die Verantwortung zu.
Auf Fahrt nach Mazogon und die Strände der Costa de la Luz kommt man an Palos de la Frontera vorbei mit dem Hafen, von dem damals Columbus zur Entdeckung Amerikas aufbrach. Die Straße säumen Monokulturen von Erdbeerfeldern, die Europa ab Februar mit den ersten Erdbeeren versorgen. Über den Feldern liegt oft ein stechender Geruch, der von der Ölraffinerie und dem Industriegebiet der chemischen Industrie herrühren, die an der Mündung der Flüße Rio Tinto und Odiel in den Atlantik liegen.
In diesem Industriegebiet befindet sich auch die Fabrik ERCROS, die den größten Teil des Chlor für den spanischen Markt produziert. ERCROS hat eine Produktionskapazität von bis 101.000 Tonnen Chlor. In der Nähe der Produktionsstätte befindet sich die Stadt Huelva und umliegende Gemeinden mit insgesamt etwa 250.000 Einwohnern. Für einen Chlorgasunfall gibt es keinen Notfallplan oder zumindest ist den in der Region lebenden Menschen keiner bekannt gegeben worden. Wie gefährlich ein Chlorgasunfall werden kann zeigte ein Unfall im Hafen von Málaga, wo 1974 eine Behälter mit Chlorgas auf den Boden fiel und beim Entweichen des Chlorgases 4 Menschen ums Leben kamen und eine große Zahl vergiftet wurde. Die Bürgerbewegung "La Mesa de la Ria" will die Gefährdung der Bevölkerung nicht mehr weiter hinnehmen. Sie verlangt von der andalusischen Regierung einen öffentlichen Notfallplan. Ein solcher Notfallplan wurde nach Meinung der Bürgerbewegung bisher nicht erstellt, weil für die Regierung die Interessen der Industrie wichtiger seien als das Leben der Bürger.
Das ist leider nicht das einzige Problem von Huelva und seiner Umgebung. Die Umweltsünden der Vergangenheit bedrohen auch von einer anderen Ecke her die Region. Es ist die die Düngemittelfabrik Fertiberia, die seit Jahrzehnten vor den Toren der Stadt eine riesige Müllhalde für Reste ihrer Phosphorgips-Produktion gefüllt hat. Phosphor ist giftig und leicht radioaktiv. Die Müllkippe ist ungefähr flächenmässig genau so groß wie die Stadt selbst und erreicht eine Höhe von 30 Metern. Im Jahr 2003 verfügte das oberste Gericht Spaniens, den Entzug der Konzession für die Firma Fertiberia. Trotzdem hat diese weiterhin unbeeindruckt weiter Phosphorgips-Schlamm deponiert und hält sich aber für zugute, dass sie die Produktion um 50% gedrosselt habe. Die Behörden schauen weg oder nur halb hin und so geht das Desaster für die Bevölkerung weiter.
Eine Delegation des Europaparlaments hat sich auf Grund von Beschwerden vor Ort über die Situation sachkundig gemacht und in einem Bericht aus dem Jahre 2010 als Schlussfolgerung folgendes festgehalten:
"Die Industrie, die sich in Huelva Ende der 1950er - und Anfang der 1960er - Jahre anzusiedeln begann, wurde von der örtlichen Bevölkerung begrüßt. Damals brachte sie die Verheißung von Arbeitsplätzen und Wirtschaftsentwicklung in eine Region, die diese brauchte, und die Industrie siedelte sich auf einem Marschgebiet an, das nach allgemeinem Dafürhalten von Mücken verseucht und nutzlos war.
Die stetige Entsorgung größtenteils giftiger industrieller Abfälle und die erheblichen Gefahren für die Gesundheit der örtlichen Bevölkerung führten jedoch zu wachsender Besorgnis bei der lokalen Bevölkerung.
Verschmutzte Abwässer verseuchten nicht nur das frühere Marschland, sondern auch das
Flussbett. Obwohl die Behörden letztlich auf diese Sorge einzugehen begannen, bestehen weiterhin ernstliche Probleme beim Umgang mit dieser Sachlage. (Die Einleitung eines Vertragsverletzungsverfahrens gegen Spanien am 18. März im Anschluss an die Informationsreise deutet darauf hin, dass die Kommission unsere Besorgnis teilt.)
Außerdem haben die Behörden in vieler Hinsicht keine angemessenen Reaktionen auf die
Sorge der Zivilgesellschaft und die Appelle der Bürgervereinigungen gezeigt, die sich schließlich Hilfe suchend an das Europäische Parlament wandten."
Der Bericht des Europaparlaments ist äußerst lesenswert, zeigt er doch mit welcher Ignoranz Firmen, Politik und Verwaltung in Spanien dem Umweltschutz und den Wünschen der betroffenen Bevölkerung gegenüber stehen.
Die Firma will jetzt, nachdem ein Gericht erklärt hat, dass die Verzögerungen durch nichts gerechtfertigt seien, das Gebiet zudecken und wieder aufforsten. Kaminrohre sollen die Gase ableiten. Ein Verbringen des Material sei nicht bezahlbar. Die andalusische Regierung kalkulierte letztere Methode mit Kosten von 2,5 Mrd Euro. Fertiberia hat jetzt für die "Säuberung" des Geländes einen Betrag von 21,9 Mio Euro als Garantie hinterlegt.
Die Strände von Mazogon bis Matalascañas sind nicht weit und beliebte Naherholungsorte. Erholungssuchende dürften auf Grund der Vertuschungen des Verschweigens kaum wissen, welche Umweltgefahren auf sie lauern.
Siehe auch:
Brot für heute, aber Hunger und Zerstörung morgen
Die Bucht von Algeciras wird zur Kloake
Italienischer Giftmüll für Andalusien
CEPSA ist sich sicher mit der Sicherheit
Die Katastrophe am Guadiamar
Informationsquelle
La montaña ácida resiste
Opinión: Mesa de la Ría alerta del peligro del cloro en Huelva
Die andalusische Hafenstadt Huelva ist eine Industriestadt, in der insbesondere die chemische Industrie sehr gut vertreten ist. Da das Bewusstsein für Umweltgefährdungen bisher in Andalusiens Süden nicht besonders ausgeprägt war, konnte diese Industrie sich ohne Rücksicht auf Umweltschutz ausbreiten. Heute steht man vor dem riesigen Gefährdungspotential, die Bevölkerung will sich nicht mehr alles gefallen lassen und die Verantwortlichen schieben sich gegenseitig die Verantwortung zu.
Auf Fahrt nach Mazogon und die Strände der Costa de la Luz kommt man an Palos de la Frontera vorbei mit dem Hafen, von dem damals Columbus zur Entdeckung Amerikas aufbrach. Die Straße säumen Monokulturen von Erdbeerfeldern, die Europa ab Februar mit den ersten Erdbeeren versorgen. Über den Feldern liegt oft ein stechender Geruch, der von der Ölraffinerie und dem Industriegebiet der chemischen Industrie herrühren, die an der Mündung der Flüße Rio Tinto und Odiel in den Atlantik liegen.
In diesem Industriegebiet befindet sich auch die Fabrik ERCROS, die den größten Teil des Chlor für den spanischen Markt produziert. ERCROS hat eine Produktionskapazität von bis 101.000 Tonnen Chlor. In der Nähe der Produktionsstätte befindet sich die Stadt Huelva und umliegende Gemeinden mit insgesamt etwa 250.000 Einwohnern. Für einen Chlorgasunfall gibt es keinen Notfallplan oder zumindest ist den in der Region lebenden Menschen keiner bekannt gegeben worden. Wie gefährlich ein Chlorgasunfall werden kann zeigte ein Unfall im Hafen von Málaga, wo 1974 eine Behälter mit Chlorgas auf den Boden fiel und beim Entweichen des Chlorgases 4 Menschen ums Leben kamen und eine große Zahl vergiftet wurde. Die Bürgerbewegung "La Mesa de la Ria" will die Gefährdung der Bevölkerung nicht mehr weiter hinnehmen. Sie verlangt von der andalusischen Regierung einen öffentlichen Notfallplan. Ein solcher Notfallplan wurde nach Meinung der Bürgerbewegung bisher nicht erstellt, weil für die Regierung die Interessen der Industrie wichtiger seien als das Leben der Bürger.
Das ist leider nicht das einzige Problem von Huelva und seiner Umgebung. Die Umweltsünden der Vergangenheit bedrohen auch von einer anderen Ecke her die Region. Es ist die die Düngemittelfabrik Fertiberia, die seit Jahrzehnten vor den Toren der Stadt eine riesige Müllhalde für Reste ihrer Phosphorgips-Produktion gefüllt hat. Phosphor ist giftig und leicht radioaktiv. Die Müllkippe ist ungefähr flächenmässig genau so groß wie die Stadt selbst und erreicht eine Höhe von 30 Metern. Im Jahr 2003 verfügte das oberste Gericht Spaniens, den Entzug der Konzession für die Firma Fertiberia. Trotzdem hat diese weiterhin unbeeindruckt weiter Phosphorgips-Schlamm deponiert und hält sich aber für zugute, dass sie die Produktion um 50% gedrosselt habe. Die Behörden schauen weg oder nur halb hin und so geht das Desaster für die Bevölkerung weiter.
Eine Delegation des Europaparlaments hat sich auf Grund von Beschwerden vor Ort über die Situation sachkundig gemacht und in einem Bericht aus dem Jahre 2010 als Schlussfolgerung folgendes festgehalten:
"Die Industrie, die sich in Huelva Ende der 1950er - und Anfang der 1960er - Jahre anzusiedeln begann, wurde von der örtlichen Bevölkerung begrüßt. Damals brachte sie die Verheißung von Arbeitsplätzen und Wirtschaftsentwicklung in eine Region, die diese brauchte, und die Industrie siedelte sich auf einem Marschgebiet an, das nach allgemeinem Dafürhalten von Mücken verseucht und nutzlos war.
Die stetige Entsorgung größtenteils giftiger industrieller Abfälle und die erheblichen Gefahren für die Gesundheit der örtlichen Bevölkerung führten jedoch zu wachsender Besorgnis bei der lokalen Bevölkerung.
Verschmutzte Abwässer verseuchten nicht nur das frühere Marschland, sondern auch das
Flussbett. Obwohl die Behörden letztlich auf diese Sorge einzugehen begannen, bestehen weiterhin ernstliche Probleme beim Umgang mit dieser Sachlage. (Die Einleitung eines Vertragsverletzungsverfahrens gegen Spanien am 18. März im Anschluss an die Informationsreise deutet darauf hin, dass die Kommission unsere Besorgnis teilt.)
Außerdem haben die Behörden in vieler Hinsicht keine angemessenen Reaktionen auf die
Sorge der Zivilgesellschaft und die Appelle der Bürgervereinigungen gezeigt, die sich schließlich Hilfe suchend an das Europäische Parlament wandten."
Der Bericht des Europaparlaments ist äußerst lesenswert, zeigt er doch mit welcher Ignoranz Firmen, Politik und Verwaltung in Spanien dem Umweltschutz und den Wünschen der betroffenen Bevölkerung gegenüber stehen.
Die Firma will jetzt, nachdem ein Gericht erklärt hat, dass die Verzögerungen durch nichts gerechtfertigt seien, das Gebiet zudecken und wieder aufforsten. Kaminrohre sollen die Gase ableiten. Ein Verbringen des Material sei nicht bezahlbar. Die andalusische Regierung kalkulierte letztere Methode mit Kosten von 2,5 Mrd Euro. Fertiberia hat jetzt für die "Säuberung" des Geländes einen Betrag von 21,9 Mio Euro als Garantie hinterlegt.
Die Strände von Mazogon bis Matalascañas sind nicht weit und beliebte Naherholungsorte. Erholungssuchende dürften auf Grund der Vertuschungen des Verschweigens kaum wissen, welche Umweltgefahren auf sie lauern.
Siehe auch:
Brot für heute, aber Hunger und Zerstörung morgen
Die Bucht von Algeciras wird zur Kloake
Italienischer Giftmüll für Andalusien
CEPSA ist sich sicher mit der Sicherheit
Die Katastrophe am Guadiamar
Informationsquelle
La montaña ácida resiste
Opinión: Mesa de la Ría alerta del peligro del cloro en Huelva
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