Aufstand gegen den Alleinvertretungsanspruch der französischen Sprache

Am kommenden Samstag werden in ganz Frankreich Franzosen den Präsidentschaftswahlkampf für einen Protest zu einem vernachlässigten Thema in diesem zentralistischen Staat nutzen. Es geht um die Regionalsprachen, die es auch in Frankreich gibt, die aber vom Staat nur widerspenstig geduldet, aber oft behindert werden. Eine Vereinigung  von Vereinen zur Verteidigung von Regional- und Ursprungssprachen in Frankreich hat für den 31. März zu Demonstrationen in den Städten Quimper, Toulouse, Metz, Straßburg, Bayonne, Ajaccio, Lille, Saint-Quentin, Poitiers und Annecy aufgerufen, um mehr Anstrengungen für den Erhalt von 75 Minderheitensprachen in Frankreich zu fordern. “Es gibt eine gewisse Pariser Elite, die unsere Sprache ausrotten möchte”, erklärt einer Verteidiger der Sprache von Oil.

Frankreich hat im Jahr 1999 die Charta des Europarats über die Förderung der regionalen und Minderheitensprachen unterzeichnet, aber bisher nicht ratifiziert. In der geplanten Verfassungsreform von Juli 2008 ist vorgesehen im Artikel 75 der französischen Verfassung festzulegen, dass die regionalen Sprachen zum Kulturerbe von Frankreich gehören. Dies wäre eine großer Schritt zur Ratifizierung nach Meinung der Verteidiger der Regionalsprachen. “Wir verlangen die Ratifizierung dieser Charta von 1999 und ein Gesetz mit Rechtsanspruch und einer Anerkennung der Regionalsprachen, die es bisher nicht gibt”. erklärte der verantwortliche Vertreter für die Sprachproteste in der Bretagne.

Zum ersten Mal machen auch die Lothringer mit, wo es romanische und deutschsprachige Regionalsprachen gibt. Die kämpferischsten Sprachverteidiger kommen aus der Bretagne (bretonisch) und Korsika (korsisch). Theoretisch ist die größte Minderheitensprache in Frankeich das Elsässische, das auf dem Papier von 1,8 Millionen Menschen gesprochen wird. Die elsässische Sprache hat das Problem, dass es ein auf der deutschen Sprache beruhender Dialekt ist. Auf dem Elsass und seiner Sprache lasten schwer die Folgen der deutsch-französischen Geschichte, in deren Gefolge nach dem 2. Weltkrieg das Lernen der deutschen Sprache lange behindert oder sogar verhindert wurde. Inzwischen hat sich im Elsass aber so ein bisschen Heimweh nach der alten Dialektsprache entwickelt und Menschen, die diese längst verlernt haben, lernen mühsam in Abendkursen wieder ein paar Brocken “elsassisch” zu babbele. Die alten Gegner einer vernünftigen Sprachpolitik sitzen immer noch in den Schulen und verhindern mit ihrer Theorie, dass es sich beim “Elsässisch” um eine eigenständige Sprache handle, eine sinnvolle Entwicklung über die Pflege der deutschen Sprache, des Rückgrats des elsässischen Dialekts. Die verzweifelten Bemühungen zur Reanimierung des Dialekts sind am besten auf der Webseite des “Elsassischen Sprochàmts” zu beobachten. Dabei haben die Elsässer ja nichts gegen die französische Sprache: “Diese Angst, dass die regionalen Sprachen gefährlich für das Französisch werden können, ist ein irreführendes Trugbild”, erklärt Jean-Marie Woehrling in Verteidigung des Elsässischen.

Die Elsässer bewundern heimlich die radikale Art der Verteidiger ihrer Sprachen  in der Bretagne und in Korsika. Auch wenn diese dasselbe Problem haben, dass nämlich ihre Sprache oft nur nur noch von einem kleinen Teil der Bevölkerung gesprochen wird und viele die Sprache erst wieder lernen müssen. Weitere Regionalsprachen sind das Okzitanische (Occitan), das in den mittleren Pyrenäen gesprochen wird. Die katalanische Sprache (Catalan) in den Ost-Pyrenäen ist durch die bisherige Sprachpolitik auch sehr stark in ihrer Verbreitung eingeschränkt. Unterstützung erhalten sie inzwischen aber von den spanischen Katalanen, die sich inzwischen vor allem bezüglich der eigenen Sprache weitgehende Rechte zurückerobert haben. Dann gibt es in den westlichen Pyrenäen die baskische Sprache, die auch noch von wenigen Menschen gesprochen wird, wo es aber große Anstrengungen gibt, die Sprache wieder zu erlernen. Zudem gibt es auch hier Unterstützung durch die spanischen Basken. Im Norden Frankreichs sprechen etwa 50.000 Menschen flämisch (flamand).  Inzwischen gibt es dort 3 Schulen, die versuchsweise Unterricht in Flämisch geben. Das Experiment soll jetzt auch auf andere Schulen ausgeweitet werden. In den karibischen Überseegebieten und Guyana gibt es die kreolische Sprache (créole). Diese Sprache wurde 2001 vom französischen Staat als Regionalsprache anerkannt. Sie wird gleichberechtigt neben der französischen Sprache genutzt, hat aber nach Meinung von Kennern einen niedrigeren “soziologisch-politischen Status”.

Ob die Demonstrationen angesichts des Präsidentschaftswahlkampfs für ein wenig mehr Anerkennung der Regionalsprachen sorgen wird? Zumindest der sozialistische Kandidat, Hollande, hat schon zugesichert, dass er dafür sorgen werde, dass die Charta des Europarats unterschrieben wird. Auf jeden Fall wird am Samstag mit Paraden, Konzerten, Menschenketten, Workshops und symbolischen Aktionen in französischen Städten für die notwendige Aufmerksamkeit gesorgt. Es wird ein Chanson geben, dass von aus der Menge gebildeten Chören gesungen, gefilmt und auf Youtube verbreitet werden wird.

Siehe auch
Bretonen helfen Sorben

Informationsquelle
Des manifestations partout en France le 31 mars pour les langues régionales – Courrier des maires
Langues régionales : appel à une mobilisation nationale le 31 mars – DNA
Les langues régionales en France

Kommentare

  1. Dr. Schulze, Gunter W.31. Mai 2013 um 13:47

    Die franzòsische Sprache geht in den deutschsprachigen Làndern immer mehr zurùck; sie ist nicht in Mode und wirkt verstaubt. Welch eine Chance fùr die Elsàsser als Mittler aufzutreten um internationaler und in Zeiten der Globalisierung auch im Kampf um Arbeitsplàtze wettbewerbsfähiger zu werden.

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  2. Dr. Schulze, Gunter W.31. Mai 2013 um 14:02

    Das Elsass verpasst eine grosse Chance zwischen den òkonomisch fortschrittlerischen deutschen Làndern und dem konservativen Frankreich eine Mittlerrolle zu spielen. Man sollte sich endlich vom zentralistischen Paris mit seinem Sprachimperialismus emanzipieren. Arbeitsplàtze und Wohlstand wie in der Schweiz und Baden wàren die Folge und weniger Auspendler nach Basel und Karlsruhe.

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