In Rumänien regt sich der Föderalismus

Rumänien ist ein zentralistischer Staat. Die kommunistische Diktatur hat dafür gesorgt, dass auch bis in jedes letzte Dorf nur das galt, was aus Bukarest kam. Jetzt scheint aber ein Teil der Bevölkerung langsam genug vom Bukarester Zentralismus zu haben. Das gilt insbesondere für Transsilvanien, auch Siebenbürgen oder auf rumänisch “Ardeal” genannt . Es sind nicht mehr nur die Angehörigen der ungarischen Minderheit, die im Szeklerland wohnen, die mehr Selbstverwaltung wollen, sondern auch die Rumänen, die nördlich und westlich der Karpaten leben, freunden sich mit dem Gedanken an mehr Selbstständigkeit an.

Und so kommt langsam eine Diskussion über eine bundesstaatliche Verfassung Rumäniens in Gang, angeregt auch durch die Ereignisse in Spanien und Großbritannien, wo Regionen wie das Baskenland, Katalonien und Schottland nach Unabhängigkeit streben. Die Unabhängigkeit einzelner Regionen ist in Rumänien zwar noch kein Gesprächsthema, aber schon eine zarte Diskussion über bundesstaatliche Lösungen führt zu erheblicher Unruhe. Die Journalistin Sabina Fati von der Zeitung “Romania Libera” berichtet, dass das Thema Bundesstaat vor allem in den Internet-Medien diskutiert wird und kein Tabu mehr sei. In Cluj / Klausenburg hat ein Geschäftsmann den regionalen Fernsehsender mit Namen “Transilvania live tv” gegründet, der sich auf die Kultivierung eines siebenbürgischen Patriotismus spezialisiert. Der besteht darin, dass sich die Bewohner Siebenbürgens gegenüber den Moldauern und Walachen im Osten  und Süden überlegen fühlen. Sie pflegen die österreichischen Einflüsse aus der Zeit der K.u.K. –Monarchie und erinnern sich gerne an den wirtschaftlichen Wohlstand in der Zeit, bevor Siebenbürgen Rumänien zugesprochen wurde.

Siebenbürgen gehört inzwischen zu den rumänischen Regionen, die zu den “Nettozahlern” innerhalb Rumäniens zu zählen sind. Das heißt aus Siebenbürgen fließt mehr Geld nach Bukarest als von dort zurück kommt. Ein besonderes Beispiel, das die Bewohner Siebenbürgens gegen die korrupten Politiker in Bukarest und ihre Helfershelfer in Siebenbürgen aufbringt, ist der Bau der transsilvanischen Autobahn. Bis heute ist diese Autobahn noch nicht fertig gestellt, obwohl bereits 3 Milliarden Euro ausgegeben wurden.

Ein Leserbrief in der Online-Zeitschrift “Smart Woman” gibt die Stimmung wieder: “Schicken wir das Geld nach Bukarest, damit man sich dort über die Vermehrung des Bruttosozialprodukts so loben kann wie wenn man über eine Penis-Verlängerung spricht? Das Geld kommt auf die Konten der “Hamsterminister”, die nichts tun außer auf der faulen Haut zu liegen. Das bedeutet, dass eine finanzielle und verwaltungsmäßige Autonomie ein unbedingtes Muss ist! ….. Auf unseren Autos sieht man täglich des Öfteren das Wappen von Siebenbürgen. In einer Umfrage über eine finanzielle und verwaltungsmäßige Autonomie im Banat mit 2.000 Stimmen haben sich 98% für eine sofortige Autonomie ausgesprochen.” Dann erinnert der Schreiber noch an folgendes Histörchen: “Ich darf euch an einen Vorfall in Liechtenstein erinnern, wo einer unserer Journalisten in einem Restaurant gegessen hat. Er wurde gefragt: “Woher kommst du?”. Es war klar, dass er nicht “Rumänien” sagte, sonst hätten alle im Restaurant gleich geschaut, ob das Geld noch in ihrem Geldbeutel ist. Nein, er hat gesagt, er kommt aus Siebenbürgen/Transsilvanien. Aaaa, das ist ganz etwas anderes, bekam er zu hören, Dracula, Fußball und gleich waren sie alle Freund mit ihm. Er hat gesehen, dass in diesem Moment, dass wir in “Transsilvanien/Siebenbürgen und im Banat” als normale Menschen angesehen werden”.

Im Moment sind das noch emotionale Absetzungen von der Zentrale in Bukarest. Im Hintergrund schwelt immer noch die deutsch-österreichische Geschichte und die Unabhängigkeitsbestrebungen der Ungarn. Als diese beiden Volksgruppen noch die Sagen hatten, wurden die dort lebenden Rumänen eher wie Menschen zweiter Klasse behandelt. Aber es gibt tatsächlich auch einen Mentalitätsunterschied zwischen den Rumänen in Siebenbürgen und denen des “Altreichs”, wie man in Rumänien die Walachei und Moldau bezeichnet. Der Wunsch nach mehr Selbständigkeit wächst deshalb auch in der rumänischen Volksgruppe und sollten in anderen Regionen Europas die Föderalisierung voranschreiten, dann wird auch in Rumänien eine Entwicklung in diese Richtung nicht mehr aufzuhalten sein.

Siehe auch:
Wenn aus Miercurea Ciuc Csikszereda wird


Informationsquelle
Federalizarea României: exces electoral sau soluţie? – Romania Libera
Ce mai uneste Transilvania de Romania? – Hotnews Smart Woman

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Die Betontürme von Barcelona: Auch Betonschrott macht anhänglich

In Treue fest zum Atom

Der Mindestlohn in Spanien durchbricht die 1.000 Euro-Grenze