Betrachtungen eines rumänischen Laien über das Geschäft der Kirchen mit den Toten

 Die Totenrituale sind ein gutes Geschäft für Kirchen. Handreichungen für eine würdevolles Begräbnis müssen oft teuer bezahlt werden. Besonders geschäftstüchtig ist die Orthodoxe Kirche in Rumänien, die dank des landesüblichen Aberglaubens ein festes Monopol in diesem Bereich hat. Der Rumäne Vasile Ernu hat darüber seine Betrachtungen geschrieben, die ich nachstehend wiedergeben möchte:

Das Geschäft mit den Toten ist eine meiner neueren Leidenschaften.
Seit es in den Dörfern auch einen Ort gibt für das Begräbnis eines Selbstmörders ist das auch ein Moment des Nachdenkens über die Totenmesse und das Begräbnis. Hier einige Gedanken;

Die christliche Kirche möchte gerne ein totales Monopol über das Leben und den Tod seiner Gläubigen haben. Sie macht das auch systematisch, indem sie ein Netz der Kontrolle aufbaut und dieses monopolisiert.

Für die totale Kontrolle über das Leben der Gläubigen hat sie auch die Taufe der Kinder erfunden, indem sie das Taufalter von der Reife auf den Anfang der Kindheit verlegte. Die Kindstaufe ist eine politische und eine wirtschaftliche Entscheidung. Dazu gibt es nicht theologisch zu begründendes oder ein Bibelstelle, auf die man sich berufen könnte. Nichts. Es ist zuallererst ein politischer Akt, der zum Ziel hat das ganze Leben kontrollieren zu können.

Diese fundamentale Geste verfestigt politisch und wirtschaftlich enorm die Stellung der Kirche, aber sie lähmt und schwächt, das was man den authentischen christlichen Glauben nennt. Man wird per Geburt Teil einer Kirche, aber man hat keine Ahnung, was Christentum ist.

Das Monopol über die Toten ist eine noch kompliziertere Frage im Hinblick darauf, dass die Kirche mit aller Macht für deren Erhalt kämpft. Warum? Weil der Tod das wertvollste Kapital der Kirche ist. Das Monopol über die Toten bedeutet mittel- und langfristig ein Monopol über den Haushalt der Gläubigen. Das Monopol über die Toten ist ein Monopol über einen Wirtschaftszweig. Das Monopol über die Toten ist langfristig gesehen eine wirtschaftliche Investition. Und die Politik ist hier zweitrangig. Das was die Banken und Börsen für die Wirtschaft bedeuten, bedeutet der Tod für Kirche. Und ich beziehe mich hier nicht auf die "Investitionen" auf die Grabstätten, um daraus Profit zu schlagen. Ich beziehe viel mehr als auf Grundstücksgeschäfte: Auf die reale, geldwerte Wirtschaft. Die Begräbnisrituale sind verbunden mit einem Bündel von Zeremonien und unheimlich profitablen Verfahren. Nichts ist profitabler als der Tod. Nicht einmal das Leben.

In der Moderne kämpft der Staat darum, der Kirsche das Monopol über das Leben streitig zu machen. Von daher auch die Trennung von Staat und Kirche. Der Staat lässt der Kirche aber einen kleinen Raum für Manöver. Im Bereich der Protestanten hat die Kirche erkennbar dieses Monopol verloren, mit Ausnahme der USA, dem Land der Sekten, das eine davon abweichenden Weg geht: Hier ist die "Sekten-Kirche" Teil des Kapitals und nicht deren Konkurrent.

In den katholischen und orthodoxen Ländern ist die Macht der Kirche größer, auch wenn es erkennbare Verluste zugunsten des Staates gibt.

Im Osten hat angesichts des kommunistischen Experiments, bei dem der kommunistische Staat einen radikalen Versuch unternommen hat, die Kirche aus dem politischen Raum zu verdrängen, die orthodoxe Kirche immer noch Ressourcen, um in einer außerordentlichen und langfristigen Art zu verhandeln und damit die Schlacht mit dem Staat zu gewinnen. Dasselbe ist der katholischen Kirche in Polen gelungen.

Es ist hier bei uns schwer zu sagen, wo der Staat endet und die Kirche beginnt. Sicher ist dass die orthodoxe Kirche die mächtigstes Institution ist, die wir derzeit haben. Ob uns das nun gefällt oder nicht. Es sind paradoxe Situationen. In Rumänien und Russland und Polen kann man keine Politik machen, wenn es nicht eine klare Politik gegenüber der Kirche gibt.

Wir wissen noch nicht, wie sich die orthodoxe Kirche gegenüber dem Kapital verhalten wird. Ich behaupte, dass sie verlieren wird, denn bei der Modernisierung auf kapitalistische Art und auch sonst akzeptiert das Kapital keine Konkurrenz; es will das totale Monopol.

Was das Monopol über die Toten betrifft, muss die Kirche weniger mit dem Staat als mit dem Kapital kämpfen, weil das seine Konkurrenz ist.

Bei den Protestanten hat das Kapital das Monopol der Kirchen über die Toten zerstört und hat es fast ganz übernommen. Der Tod ist ein Geschäft für das Kapital, der Tod ist völlig privatisiert.

Bei den Katholiken und auch den Orthodoxen gehört der Tod noch zum Monopol der Kirchen. Deswegen sind zum Beispiel private Friedhöfe und Krematorien dort nicht vorstellbar. Die Kirche würde sie boykottieren und dem könnten diese nicht widerstehen. Wenn du zu einem privaten Friedhof gehst kommt kein Pope. Wenn du ins Krematorium gebracht wirst, dann landest du in der Hölle, Punkt. Das Kapital ist daher in diesem Sektor nur marginal in Erscheinung getreten. Auch wenn der Staat Teile des Verfahrens kontrolliert. Die Kirche hat da immer noch ein totales Monopol.

Aus diesem Grund ist es bei uns nicht gewünscht, dass du dich selbst tötest, denn das ist eine Todsünde. Das Leben gehört nicht dir. Einen solchen Tod bestraft die Kirche streng. Dafür gibt es einen anderen Gottesdienst, andere Regularien, ein andere Stunde für das Begräbnis und einen anderen Ort, an dem man begraben wird. Auch erscheint kein Priester. Man ist ein Verfemter.
Die sich selbst töten sind für die Kirche eine Art "toxisches Guthaben", das Verlust bringt und die Wirtschaft der Toten beeinträchtigt. Deswegen müssen sie hart bestraft werden. Es werden auch die Selbstmörder bestraft, die eine große Anteilnahme hervorrufen. Warum? Auch die "toxischen Guthaben" müssen profitabel sein.

Ich habe gestern eine folkloristische Erzählung aus der Region von Bistritza gehört. Für den Selbstmörder brauche man nicht ein mal zu beten. Die Tatsache, dass er oder sie sich selbst getötet haben führt sofort dazu, dass sie in die Hölle kommen. Und immer wieder beten die Hinterlassenen darum, dass sie in der Hölle mit Hörnern gestoßen und zur Arbeit gezwungen werden.

Über die Wirtschaft des Todes könnte ich noch viel mehr erzählen, dass das Thema meine neue Leidenschaft ist und ich zu dem Thema Nachforschungen betreibe.  Aber zuvor höre ich auf über Friedhöfe, Beerdigungen, Totenmessen wie auch Krankenhaus und Leichenhallen mit all ihrem Apparat für Tote zu lästern. Mit Toten kann man einfach arbeiten, mit den Lebenden ist es viel schwieriger.

Die Orthodoxen haben eine Kultur des Todes, die zum faszinierendsten und komplexesten im Christentum gehört.

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